Was muss ich wissen?
Wer Kempo, Tai-Chi oder Muay –Thai lernt, betritt eine Welt, in der andere Gesetze herrschen als draußen. Diese Ausbildung ist eine Ausbildung zur Kampfkunst und nicht zum Kampfsport!! Bei uns gelten vier große Charaktereigenschaften, Liebe, Respekt, Wahrheit und Ehre, so wie die Philosophie der asiatischen Kampfkünste, als maßgebliche Gesetze, denen wir folgen müssen. Dies zu vermitteln, dafür sind die Sensei (Lehrer) und die Sempai (Übungsleiter) da. Darüber hinaus besteht das Ausbildungsziel in der reinen Selbstverteidigung ohne Wettkampfaspekte, basierend auf den o.g. Charaktereigenschaften. Wer dazu die Tätigkeit eines Sensei oder Sempai für eine Dienstleistung hält, verkennt den Sinn des Unterrichts.
Der Lehrer ist sicherlich nicht der Diener des Schülers, und etwas leisten soll im Training der Schüler und nicht der Meister. Da Technik und Philosophie in den Kampfkünsten untrennbar miteinander verbunden sind, muss man diese Regeln akzeptieren. Kann man dies nicht, dann sollte man eine der Kampfsportarten wie Judo, Karate oder Tae-Kwon-Do lernen, wo der Lehrer oder Meister keiner ist, sondern nur ein Trainer.
Es fängt damit an, dass man vor dem Unterricht bezahlt. Und nicht der Lehrer bedankt sich für das Geld, sondern der Schüler bedankt sich dafür, dass es der Lehrer annimmt und einwilligt ihn zu unterrichten. Das Preis – Leistungsverhältnis ist hier immer noch zu Ungunsten der Lehrer ausgerichtet. Denn wo sonst bekommt man Unterricht in einer wertvollen Selbstverteidigungsmethode und Hilfe mit Rat und Tat in allen und für alle Lebenslagen. Wo sonst erfährt man mehr über das Leben als durch den Kampf mit sich selbst und die führende Hand und helfende Hand des Meisters, für nicht mal 3,-€ pro Stunde? Neue Schüler stehen oft auf dem Standpunkt, sie hätten für Ihr Stundenhonorar den Lehrer gekauft. Sie stellen sich ins Dojo und sagen: „Ich hab Dich bezahlt , nun mach mal was mit mir!“ Tatsächlich sind aber sie es, die während der Übungsstunden etwas leisten sollen. Der Lehrer beobachtet, korrigiert und gibt ihnen neuen Stoff, wenn der alte beherrscht ist. Nur wenn dies so berücksichtigt wird, steht dem Erfolg nichts mehr im Wege.
Zu Beginn dieser Ausführungen lassen Sie uns eines klarstellen: Es gibt zwei absolute Grundsätze, die wir immer berücksichtigen:
1. Es gibt für einen wahren Kampfkunstexperten kein fertiges, erlernbares, absolutes System des Kampfes, sondern er formt dieses im Laufe jahrelanger harter Arbeit selber.
2. Kein System ist schlecht oder gut. Der Übende macht dies daraus.
Kempo, oder auch Kenpo, heißt übersetzt: „Kunst/o. Weg des Faustkampfes“. Das besondere am KOSHOKUN KEMPO RYU ist, das es sich zurückorientiert, an die alten Werte der Kampfkunst: Selbstverteidigung – Einhalten und erlernen der Etikette (Philosophie und Charakterbildung) – Gesunderhaltung – Harmonisierung von Körper, Geist und Seele. Und zwar nicht nur in Form eines schönen Rahmens um ein, von Wettkampf oder Organisationen geprägtes Bild, sondern diese Werte bilden die Präambel unserer Schule und manifestieren sich in der Dojokun (Regeln der Kampfkunst) unter den Charaktereigenschaften: Liebe – Wahrheit – Respekt – Ehre.
Der Schüler tritt mit dem ersten Training in ein Regelwerk, welches auf den folgenden vier Prinzipien gründet. Dem Regelwerk, welches in der Interpretation dieser Prinzipien beschrieben ist, ist unbedingt Folge zu leisten, da die Nichtbeachtung bestraft wird, bis hin zum Ausschluss aus der Gemeinschaft der Kampfkunst-Übenden.
1. LIEBE
Der Kampfkunstübende hat sein Verhalten nach der Liebe zu den Eltern, zur Kampfkunst, zum Meister, zum Dojo und allen anderen Menschen, Tieren und Dingen seines Universums, auszurichten. Ist sein Verhalten von Hass, Neid, Eifersucht und ähnlichem geprägt, muss er die Gemeinschaft der Budokämpfer verlassen.
Der erste Schritt, diese Regel zu beachten, ist das erlernen der Demut. Zu erdulden, was von einem verlangt wird, endet in Liebe und Hingabe zu dem Erlernten. Mit dem Aussprechen des Wortes „OSU“ (ausgesprochen »oss«) wird dies dem Schüler immer wieder in Erinnerung gerufen. Das Wort besteht aus zwei verschiedenen Bedeutungen. Das erste Schriftzeichen „O“ bedeutet „DULDEN“ und das zweite, „SU“ bedeutet „STREBEN“
Zu erdulden was von einem verlangt wird, ob von den Eltern, vom Meister oder einer anderen übergeordneten Institution, spielt keine Rolle. Und das gleichzeitige Streben nach dem Ideal, das die Kunst vom Schüler verlangt. Das Ideal an Mensch, an Technik, an Selbstverteidigung …etc. So kann die Liebe zu edlen Taten anspornen.
Diese Regel bezieht sich aber auch, sowohl auf die notwendige innere Haltung, die menschliches Zusammenleben ermöglicht, als auch auf die Formung eines menschenwürdigen Charakters. Bei den Tieren sind die Verhaltensmuster zur Erhaltung ihrer Art in ihren natürlichen Anlagen vorhanden und werden von der Natur gelenkt. Der Mensch kann diese durch seine Verselbstständigung mit egoistischen Interessen ersetzen und braucht daher eine durch Erkenntnis verinnerlichte Instanz, welche auf das Maß seiner Handlungen achtet. Diese Instanz ist dem Menschen nicht mitgegeben, er muss sie sich erarbeiten. Deshalb mahnt diese Regel zum Verzicht auf Gewalt und bezeichnet gleichzeitig alle Formen von Gewalt als menschenunwürdig. Ein Fortgeschrittener in den Kampfkünsten kann anderen Menschen ernsthafte Verletzungen zufügen und ist dann, wenn er seine Fähigkeiten als Machtmittel gegenüber seinen Mitmenschen verwendet eine Gefahr für die Gesellschaft und ein menschenunwürdiges Individuum. Meister Funakoshi´s » KARTE NI SENTE NASHI« (im Karate gibt es keinen ersten Angriff) erläutert, dass der Mensch als geistiges Wesen, die Fähigkeit besitzt, Wege der Gewaltlosigkeit zu finden, wenn er den Situationen mit überwundenem Ego begegnet. Das Grundprinzip der Kampfkunst, »Eine Situation erkennen, diese verstehen und dann absolut richtig danach handeln«, steht immer im Zeichen dieser Regel. Deshalb lernt der Schüler der Kampfkünste, die ersten Jahre immer vorrangig, den Kampf gegen sich selbst. Die eigentliche Kampfkunst, den Stil, das Wissen über das Kämpfen, erlernt er vom Meister erst nach Jahren harter Arbeit an sich selbst, wenn der Meister erkennt, dass der Übende in der Lage ist, das Erlernte, zur Durchsetzung und leben der Dojokun, einzusetzen. Tut er dies nicht, sondern aus selbstsüchtigen Zwecken, verliert der Schüler die Berechtigung, unterrichtet zu werden.
2. WAHRHEIT
Ist ein Schüler unehrlich und heimtückisch gegenüber Anderen, so muss er auf sein Verhalten hingewiesen werden. Ist nicht zu erkennen, dass der Schüler den Willen zur Wahrheit und Aufrichtigkeit in seinem Verhalten unter Beweis stellt, muss er die Gemeinschaft der Budokämpfer verlassen.
„Aufrichtigkeit ist ein Zwillingsbruder des Mutes. Zur Wahrheit bedarf es meistens mehr Mut als zur Lüge, denn diese ist das Zeichen des Feiglings.“ (Nitobe) Diese Regel erläutert die Grundvoraussetzungen, durch die rechte und gerechte Beziehungen zu anderen Menschen möglich werden. Fruchtbare Beziehungen entstehen erst dann, wenn ein Mensch fähig ist, persönliche Ansprüche durch die Bereitschaft zur Hingabe auszugleichen.
Gerät das Gleichgewicht zwischen Bereitschaft und Anspruch durch egoistische oder oberflächliche Fehlhaltung in Gefahr, wird jeder Fortschritt unterbrochen. Merkt dies der Meister schreitet er ein, meistens unmerklich. Dort wo Menschen mehr wollen als sie geben, höhere Ansprüche stellen, als sie bereit sind zu verantworten, viel versprechen und wenig halten, Großes beabsichtigen und Kleines tun, ziehen sie sich das Missfallen all jener zu, die das entstehende Ungleichgewicht durch erhöhte Opfer ausgleichen müssen.. Im Dojo z.Bsp. gibt es viele Gelegenheiten bei denen sich diese Verhaltensweisen immer wieder zeigen. Beim Dojodienst, wenn der eine nicht kommt und niemandem Bescheid sagt, obwohl er weiß dass er Dojodienst hat und der andere dann seine Arbeit mit verrichten muss, beim leiten eines Kurses, wenn man sich nicht selber darum bemüht zu wissen wann, wo und wie man ein Training leitet, wenn man als Schwarzgurt glaubt nun alles zu wissen und zu können, ohne sich selber weiterzubilden, etc. Opferbereitschaft und Demut gegenüber der Kunst und dem Meister, nicht einfach weil er Meister ist, sondern weil er diese Kunst repräsentiert, sind die Grundlagen zur Meisterschaft. Dazu gehört unabdingbar der Weg der Wahrheit. Der Weg der Wahrheit ist ein Weg der einen sicher geleitet, niemanden abstürzen und niemanden fallen lässt. Den einem aufrechten Menschen, kann niemand schaden. Der Weg der Wahrheit bringt uns dazu uns selbstkritisch zu betrachten, so wie wir uns betrachten wenn wir trainieren und Fehler korrigieren. Die Wahrheit dient dazu das Leben so zu sehen wie es ist, den Kampf so zu sehen wie er ist und nicht im Vorurteil, Selbstüberschätzung und Egoismus zu haften. Auf dem Weg der Wahrheit lernt man alle Dinge so zu sehen wie sind, ohne Trübungen und Verfälschungen durch äußere und innere Einflüsse. Man lernt zu entscheiden was richtig und was falsch ist, technisch und geistig. Der Weg der Wahrheit führt dazu uns selbst genauso einzu8schätzen wie wir sind, mit all unserem Können und mit all unseren Schwächen. So können wir in der Lage sein, alle Probleme und Auseinandersetzungen, ob im täglichen Leben oder im Kampf, ob psychisch oder physisch, ohne Schaden zu überstehen. Dazu müssen wir aber Bereit sein diesen Weg zu verteidigen, koste es was es wolle, denn nicht ist wichtiger als der Weg der Wahrheit, er entscheidet über unser Leben.
3. RESPEKT
Kempo beginnt und endet mit Respekt. Der Schüler darf in keiner Situation, den Respekt verlieren, den ein anderer Mensch, ein Tier oder eine Sache verdient. „Selbst ein Wurm von einem Zentimeter verdient den Respekt von einem Zentimeter“ (Abe). Respekt und Höflichkeit sind Charakterzüge, welche sich der Schüler im Laufe der Zeit aneignen muss. Er muss Gewalt und Aggression ablegen. Fehlverhalten wird sofort moniert und der Schüler angehalten mit größerer Demut als zuvor, seinen Respekt unter Beweis zu stellen. Tut er dies nicht, muss er die Gemeinschaft der Budokämpfer verlassen.
Diese Regel bezieht sich auf das ausgewogene Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Sie macht deutlich, dass die Übung der Kampfkünste nicht nur das Körperliche meint, sondern dass sich der Übende in allen Situationen des Alltags selbstkritisch betrachten soll, um festzustellen welches seine inneren Probleme sind, die der Perfektion seines Selbst im Wege stehen. Durch diese Regel wird der Übende aufgerufen, seine inneren Unebenheiten mit derselben Kraft zu bekämpfen, wie er es im täglichen Training lernt, äußere Schwierigkeiten zu überwinden. Mit einem wachen und sich selbstbetrachtenden Geist, kann der Übende den Sinn dieser Regel in unzähligen Situationen an sich selbst feststellen. So kann er z.Bsp. erkennen, ob er sich im inneren Gleichgewicht befindet oder ob er im Vorurteil denkt und handelt. Auch Tendenzen zur Überheblichkeit, zum Egoismus, zur Selbstüberschätzung, zur Ungerechtigkeit, zum Selbstmitleid, zu unkontrollierten Gefühlen, und viele andere dieser Dinge, fallen unter diese Regel. Wenn sie nicht behoben werden, verhindern sie den Fortschritt. Respekt ist, wie alle anderen Charaktereigenschaften, auch erlernbar. Es beginnt mit „REI“ und endet mit „REI“, wie in der Übungsstunde. Jede Bewegung, jeder Angriff, jede Abwehr, sollte mit dem Geist des „REI“ ausgeführt werden. Respekt und Höflichkeit verlangen aber auch Aufrichtigkeit und Selbstbewusstsein. Ohne Aufrichtigkeit wird Höflichkeit zur Heuchelei und ohne Selbstbewusstsein ist Höflichkeit oft nur ein Akt aus Angst. Diese Regel bezieht sich auch auf die richtigen Formen des Verhaltens, die ein Mensch beachten muss, wenn er von anderen verstanden und angenommen werden will. Menschen mit einer schlechten Verhaltensetikette werden selbst im Wohlgemeinten missverstanden, denn sie wiederlegen ihre Absichten und Aussagen durch nicht entsprechendes Verhalten. Die recht Etikette macht einen Menschen glaubwürdig, offen und unkompliziert. Sie bewirkt eine verständliche Kommunikation und hilft die Harmonie in menschlichen Beziehung zu erhalten. Ohne Etikette wird Aufrichtigkeit zur Grobheit, Mut wird zur Auflehnung, Demut zur Unterwürfigkeit, Respekt zur Kriecherei und Vorsicht zu Furchtsamkeit. Die Grundlegenden Aussagen der Etikette finden wir in den Leitsätzen: »Ohne Höflichkeit geht der Wert der Kampfkunst verloren« und »Kempo beginnt und endet mit Respekt«, wieder. Deshalb ist die Art, wie ein Übender Rei ausführt, ein Spiegel seiner selbst. Rei beschreibt die Grundlage jeder Etikette. In jedem Satz der Etikette steht das Rei am Anfang. Rei bezeichnet den Respekt und die Hochachtung vor der Kunst, dem Meister, dem Dojo, den Eltern und allen Individuen. Doch darf diese Hochachtung nicht in Kriecherei oder Unterwürfigkeit führen. Dort wo die Grenze der Etikette von anderen Menschen überschritten wird, ist der Übende der Kampfkunst angehalten einzuschreiten. Im eigenen Umfeld wie im Dojo, zu Hause etc. muss der Kampfkünstler bereit sein, die Etikette mit allen Mitteln zu verteidigen. Für viele Menschen mag dieses Verhalten dann Hochmütig oder Überheblich erscheinen, doch wir wissen, dass es sich um eine Notwendigkeit handelt, die uns dazu erzieht, Prinzipien einzuhalten dafür zu stehen und dafür zu kämpfen, eine Philosophie die heute von fast niemandem mehr praktiziert wird, oder wenn, dann nur zum Schein. Es wird nicht immer möglich sein, alle Prinzipien der Etikette von Anfang an einzuhalten, doch der Versuch dies zu tun, und der bekundete Willen zu den Prinzipien zu stehen und diese zu verteidigen, sind ehrenvoll und Ziel dieser Regel. Die Regel verlangt von niemandem, dass von dem ersten Tag an, an dem er die Kampfkunst übt, einen perfekten Charakter haben soll, nein, aber er soll sich auf die Suche nach ihm begeben. Das Streben nach dieser Perfektion muss im Verhalten des Übenden erkennbar sein. Ist dies nicht der Fall, wird er vom Meister nicht als Schüler akzeptiert. So sollte der Übende auch nach dieser Regel den Anweisungen des Meisters, der Sempai und der höher Graduierten, vertrauensvoll Folge leisten, denn diese sind dem Schüler, egal wie weit er schon ist, immer einen Schritt voraus und kennen die Gefahr der Selbstüberschätzung. Es geht nicht darum immer zu fragen »warum«, es geht darum es selbst zu erfahren, und das heißt üben, üben, üben … ohne zu fragen. Sich selbst zu fragen, dass ist wichtiger. Sich selbst fragen warum, sich selbst fragen ob man richtig oder falsch handelt, sich immerzu fragend ob die Etikette eingehalten wird, dies ist der richtige Weg, auf der Suche nach dem wahren Charakter mit Respekt und Höflichkeit.
4. EHRE
Ehre bedeutet die »Achtungswürdigkeit einer Person «. Also unter welcher Würde eine Peson geachtet wird. Diese Ehre muss erarbeitet, verdient werden. Voraussetzungen für ein ehrenhaftes Verhalten sind Liebe, Wahrheit und Respekt. Somit ist diese Eigenschaft die wichtigste, welche ein Kampfkunstübender erlangen sollte. Bringt ein Schüler Schande über den Meister und das Dojo, indem er die ersten drei Regeln nicht befolgt, auch außerhalb des Dojo, muss er die Gemeinschaft der Budokämpfer verlassen. Doch das Streben nach dieser Ehre birgt auch viele Gefahren. Das Streben danach führt viele Menschen auf Irrwege und Abkürzungen.
Sie wollen Ehre schnell und leicht erlangen mit hochtrabenden Sprüchen und letztendlich auch mit Lug und Trug. Doch das Streben nach Ehre kann nur unter den Gesichtspunkten der Aufrichtigkeit, Redlichkeit, Loyalität und Rechtschaffenheit geschehen. Das Schamgefühl ist hier das erste Zeichen eines ehrenhaften-moralischen Bewusstseins. Fehlt dieses Schamgefühl. Fehlt auch die Ehre. Doch jeder Kampfkunstübende sollte die Ehre besonnen pflegen, denn allzu oft droht der zarte Ehrenkodex auszuarten und für Dinge benutzt zu werden die gegen die ersten drei Regeln verstoßen. Tut dies jemand ist sein Verhalten unehrenhaft. Ganz einfach daran zu erkennen, dass er eine der ersten drei Regeln nicht beachtete. So muss man darauf achten, dass man keine Taten oder Worte findet, welche sich im Namen der Ehre angeblich rechtfertigen lassen, aber ohne Liebe, Wahrheit und Respekt sind. Die kleinste, oft nur eingebildete Beleidigung, verletzt den hitzigen Prahler, manch unnützer Schlag wurde deswegen schon ausgeführt, manch unschuldiges Leben vernichtet. Die Etikette zu achten, nach ihr zu leben – das ist Ehre.
Für manch einen sind dies abgedroschene Ehrenphrasen, welche mit der heutigen Gesellschaft nicht mehr vereinbar sind. »Was nutzt mir alle Ehre, wenn ich trotzdem jeden Kampf verliere!“ „Was nutzen mir Toleranz und Demut, wenn jeder andere durch Rücksichtslosigkeit und Egoismus, das bekommt was er will, nur ich nicht?!“ Das sind die Schlussfolgerungen, welche die meisten Menschen daraus ziehen. Doch gerade diese Schlussfolgerungen sind es, welche Unehre, Egoismus, Intoleranz, Lug und Trug erst möglich machen! Aber niemand hat die Kraft rigoros, und damit meine ich mit allen Konsequenzen, gegen diese Schwäche vorzugehen. Niemand will der erste sein, weil er glaubt etwas verlieren zu können. Daraus entstehen Krieg, Kriminalität und Gewalt. Richtig ist, dass nur mit Ehre, noch niemand eine körperliche Auseinadersetzung gewonnen hat. Doch sollten wir uns fragen, ob wir diese, mit Ehre nicht hätten vielleicht verhindern können? Redliches Verhalten hat sehr viel mit Ehre zu tun, deshalb sind beide Begriffe untrennbar mit einander verbunden. Schlimm ist es nur, wenn die Kampfkunst ohne diese Charaktereigenschaften gelehrt wird und sogenannte Großmeister behaupten: „… Es wird heutzutage zu viel Zeit verplempert mit Meditation und sonstigen traditionellen Ballast wie an – und abgrüßen, Kata und Gürtelbinden. Das ist für die Kampfkunst genauso wichtig, wie das Badehose anziehen für einen Schwimmer!“ … Kampfkunst ohne die Philosophie der Rechtschaffenheit und Ehre, führt immer zu Arroganz und Gewalt und vor allem zu ungerechtfertigter Anwendung der Kampfkünste aus Profitgier oder Profilierungssucht! Ein sogenannter Großmeister der Kampfkünste sollte sich wirklich fragen ob er den Titel „Groß-meister“ wirklich verdient hat, oder ob er das Wort nicht mit „Groß-maul“ verwechselt. Es gibt zu Hauf, Meister, die mit diesen Philosophien nichts anfangen können, weil sie diese selber nicht leben oder nur als schönen Rahmen benutzen. Menschenunwürdiges Verhalten wie : „Zuerst angreifen – dann fragen!“ Haben in einer Kampfkunst nichts zu suchen und sollten schon gar nicht als solche bezeichnet werden. Die Regel bezieht sich auch auf die Verwirklichung des Menschen in seinen persönlichen Zielen. Sie hängt eng mit den ersten beiden Regeln zusammen, da jedes Streben einer reifen Grundhaltung bedarf. Streben ist gebunden an Sinn, Maß und Erkenntnis. Die Philosophie der Kampfkünste lehrt, dass Streben ohne Verantwortung, auf die eine oder andere Art und Weise, immer der Wirklichkeit entgegensteht. Der Mensch steht immer in einer Kluft zwischen den übermächtigen Naturgewalten, Lebenswillen, Emotionen, dem Unterbewusstsein (essen, trinken, schlafen, Sex,) etc., denen er schutzlos ausgeliefert ist und sie erdulden muss, zum anderen sein entwickeltes Bewusstsein, dank dem er persönliche Ziele anstreben und verwirklichen kann (osu – dulden und streben). Das Vertrauen in das Selbst erlaubt dem Menschen einen gewissen Abstand zu den unkontrollierbaren Mächten der Natur, doch die vollkommene Befreiung davon ist nicht möglich. Nur durch einen Geist, der das Maß erkennt ist Fortschritt und Gedeihen möglich. Um diesen Geist zu verwirklichen ist Streben nötig, doch es darf nicht vom Ich bestimmt sein, das Wachstum und Gewinn ohne Grenzen fordert. Es bedarf der Kontrolle und der Lenkung eines inneren, reifen Geistes, der in der Lage ist zu dulden was zu dulden ist und zu bekämpfen was zu bekämpfen ist. In diesem Gleichgewicht muss der Geist des Strebens sein. Ist er im Ungleichgewicht der Extreme, so verfehlt er den Sinn und stellt jede Handlung in Frage. Das Streben nach Gerechtigkeit und Wahrheit, ist das Streben , was im Vordergrund stehen muss, aber nicht von jedem erwartet werden kann. Das Erdulden von Hass, Gewalt, Neid und Lüge ist das, was bekämpft werden muss, aber nicht um den Preis der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Das Streben nach dem Ideal ist ein Weg der Mitte ein Weg der Ehre.
Bei der Selbstverteidigung geht es darum, durch erforschen der alten Techniken, Zusammenhänge zu den Anforderungen unserer Zeit, in der Selbstverteidigung zu finden. Techniken so zu verändern und zu kreieren, dass sie den Ansprüchen einer individuellen Selbstverteidigung gerecht werden und sich den veränderten Bedingungen in der Welt anpassen. Das hieße zum Beispiel, einen Aufwärtshaken, nicht mehr, wie vor 200 Jahren zu lehren, weit ausholend, mit fast gestrecktem Arm von unten ins Ziel rudernd, sondern wie einen uppercut im Boxen für den Infight (im japanischen heißt diese Technik „fudo ken“). Dazu kommt, dass sich das KOSHOKUN KEMPO RYU nicht an dem sportlichen Wettkampf orientiert, sondern völlig Wettkampf-frei, auf die Bedürfnisse der Selbstverteidigung eingeht. So mussten viele der Wettkampftechniken verändert werden, weil die meisten dieser Techniken für die reale Selbstverteidigung nur bedingt geeignet sind. So ist es möglich im KOSHOKUN KEMPO RYU alle fünf Einheiten des Kampfes zu üben:
1. Lange Distanz (Füße)
2. Mittlere Distanz (Fäuste)
3. Kurze Distanz (Ellenbogen, Knie, Haken, Clinch)
4. Werfen
5. Bodenlage (Hebel – und Gelenktechniken)
Jede, dieser fünf Einheiten wird gleichermaßen geübt. Da ein Kampf immer über das schwächste Glied entschieden wird, ist es notwendig, alle fünf Elemente gleich intensiv zu üben. Und es ist völlig realitätsfremd, wenn der ein oder andere Anhänger eines Stils oder Methode behauptet: „ Ein guter Kämpfer, geht nie zu Boden!“ und so der Bodenkampf in diesem System zweitrangig ist. Gäbe es nur gute Kämpfer, wäre der Bodenkampf sinnlos, gäbe es nur schlechte Kämpfer würde sich die Hauptarbeit der SV auf den Boden beschränken. Da dies nicht der Fall ist, sollte man solche Aussagen niemals an seine Schüler herantragen. Auch das perfekteste System, ist nicht in der Lage einen grottenschlechten Schüler zum perfekten Kämpfer zu machen. Auch das ist Augenwischerei, findet aber heute leider immer mehr Anwender und auch leider immer mehr Abnehmer. Nicht umsonst haben alle großen Kämpfer immer wieder den Bodenkampf besonders behandelt, – auch Bruce Lee! Jeder anständige Karate – oder Ju Jutsuka wird nun als erstes fragen: „Wie kommt dieser Mensch nur darauf, ein völlig neues System zu erschaffen, um dann zu sagen es sei eine Synthese aus allen anderen Kampfsportarten – und künsten?“ Dazu lassen Sie mich nur eines vorweg sagen: » Das KOSHOKUN KEMPO RYU ist keine Synthese aus anderen Kampfkünsten, sondern ein schon lange erprobtes Lehren der Kampfkünste, in Ihrer eigentlichen Funktion als Selbstverteidigung, Charakterbildung (durch die Etikette), Gesunderhaltung und Erlangung der Einheit von Körper, Geist und Seele. Es ist nichts NEUES, das KOSHOKUN KEMPO RYU baut auf den Erfahrungen von über 30 Jahren eigenem Lernen und Lehren und über 2000 Jahre Selektion der asiatischen Kampfkünste auf. Die sich dadurch ergebende Veränderung bringt den Fortschritt und dieser Fortschritt bedingt wiederum Veränderung, so dass zwar eine neues System, ein neuer Stil oder eine neue Methode entsteht, aber immer aufbauend auf den Erfahrungen und Entwicklungen des Alten.« Wie schon Gichin Funakoshi sagte: „ Willst Du das Neue verstehen, musst Du das Alte rekapitulieren!“ Es ringt mir immer ein müdes Lächeln ab, wenn ich sehe wie sich sogenannte „Großmeister“ mit dem 8. Dan und höher, damit brüsten ein völlig neues System der Selbstverteidigung geschaffen zu haben, indem Sie die besten Techniken (allein das ist schon absoluter Quatsch) aus verschiedenen Kampfsystemen zusammengewürfelt haben und nun das „Beste vom Bestem“ geschaffen haben, diesen Systemen dann neue Namen wie HK-Ryu (Vorname und Nachname des sog. Großmeisters) oder Budo Do (übersetzt als: Der Weg des Kriegers Weg ?????), geben. Da muss doch die Frage erlaubt sein: „Wissen die eigentlich was die da tun?“ Ich glaube nicht. Es gibt keine „Besten Techniken eines Systems“. Dies ist nur mit der begrenzten Sichtweise dieser sog. „Großmeister“ zu erklären, die mit dem 8. Dan immer noch nicht wissen wie sich die Kampfkünste entwickelt haben, wie Fortschritt und Veränderung zu verstehen ist, wie man eine Form entschlüsselt, wie Techniken und Philosophie zu lehren sind und vor allen Dingen, dass die Kampfkunst nicht als Sport oder profitbringenden, sich Luxus leistenden Lebensunterhalt, oder als Mittel für profilierungssüchtige Möchtegern-Halbgötter in Weiß sondern als Selbstverteidigung, Weglehre und Lebensphilosophie gelehrt werden soll.
Seit nunmehr über 30 Jahren betreiben wir verschiedene Kampfkünste – und sportarten. In dieser Zeit wurde und wird, viel über das Erlernen der Kampfkünste geschrieben. Doch meistens haben solche Anleitungen, mit der Kampfkunst genauso viel gemeinsam, wie ein Radprofi mit der Formel 1. Die Autoren mögen es (als Radprofi) vielleicht lieben und schwärmen davon, doch die Essenz und den eigentlichen Sinn haben sie weder begriffen, noch können sie sie lehren, weil sie in die eigentliche Kunst (Formel 1) nie tief genug eingedrungen sind, sondern nur die Oberfläche sehen und das lernen und lehren was das objektiv Sichtbare hergibt. Schade ist nur, dass solche Autoren, die sich nie selber darum bemüht haben, in die Tiefen der Kunst einzudringen, dann als „Experten“, „Meister“ oder gar „Großmeister“ angesehen werden. Da sehe ich immer das Beispiel eines Meisters des 8. Dan vor mir, der nach 50 Jahren Ju-Jutsu, das erste mal davon hört, dass die Kampfkünste zum größten Teil, ihre Entwicklung in China begannen, oder dass diese hohen Dan-Träger nicht einmal den Wert und die Bedeutung der einzelnen Dan-Grade kennen (eigentlich ist diese Bezeichnung unsinnig; Dan-Grad hieße übersetzt: Stufe o. Grad – Grad. Aber zum einfacheren Verständnis, im deutschen Sprachgebrauch, wollen wir dabei bleiben). Dies zeigt, dass es Meister gibt, die ohne Fortschritt und Veränderung 50 Jahre durch die Welt stolpern und immer der Meinung sind, dass was sie machen sei richtig und das einzig Wahre. Fortschritt heißt aber Veränderung. Diese Veränderung und der sich dadurch bedingte Fortschritt, ergibt sich aber nicht von selbst. Es ist die mühselige Suche nach dem Alten und dem sich daraus ergebendem, schwierigen formen des Neuen, welches jeder Übende selbst initiieren muss. Dieses Wort kommt von „Initiative“. Diese muss ergriffen werden. Das heißt aber, überall nach dem wahren Wert der Kunst selber zu suchen, sich zu bemühen alles zu erfahren, zu lernen und zu vertiefen, hart an sich selber zu arbeiten, Entbehrungen, Leid, Schmerz und immer wiederkehrende Enttäuschungen auf sich zu nehmen. Doch dies steht der profitgierigen, machthaberischen, egoistischen und trägen Natur der meisten Menschen im Wege. Deshalb durchlaufen die wenigsten, diese so wichtigen Erfahrungen.
Diese Erfahrungen zu machen, dazu dient das KOSHOKUN KEMPO RYU.
Die Auseinandersetzung mit Aggression und Gewalt, im Kampf gegen seine inneren und äußeren Schwächen, ist der „Weg des Faustkampfes“ (KEMPO), welcher in unserer Schule gelehrt wird. Die Geschichte der unserer Schule, eigentlich jeder Schule, ist so alt wie die Kampfkünste selber. Nie kann man den genauen Ursprung einer Schule, einer Form, einer Methode oder eines Systems genau festlegen, da diese immer verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen haben. Deshalb halte ich es für anrüchig, wenn Meister damit prahlen, dass ihr System schon so und so viel Jahre alt ist und es sich dadurch immer wieder verbessert habe. Die Kampfkünste auf aller Welt, sei es das Schweizer „Schwingen“ eine Art »Alpen-Sumo«, das Südamerikanische „Capoeira“, das Russische „Sambo“, oder der Afrikanische Kurz-Stock-Kampf „ Bandura“. Alle haben ihren Ursprung, in der Notwendigkeit, sich gegen stärkere Gegner, zu verteidigen. Sei es die Naturgewalten oder andere Menschen. Genauso unmöglich ist es den genauen Tag des Ursprungs eines Frosches festzulegen. Wann wird der Frosch von der Qualquappe zum Frosch? Einen genauen Tag, oder eine genaue Stunde oder gar eine genaue Minute, lässt sich da nicht bestimmen ! Es ist ein allmählicher Übergang von einer Form zur anderen. So ist es mit den Kampfkünsten und mit dem Menschen genau so. Wir können auch nicht sagen: … der Mensch hat sich ab dem und dem Tag auf der Erde etabliert. Auch dies war eine allmähliche Entwicklung. Wie bei den Kampfkünsten. Es ist nicht festzulegen, ab wann dieses oder jenes System zum Leben erweckt wurde. Es ist eine allmähliche Entwicklung. Wenn man ins Eingemachte gehen will, kann man natürlich irgendwo einen Ursprung erkennen, beim Menschen wäre das die erste Lebensform im Meer als Einzeller vor ca. 700 Millionen Jahren, bei den asiatischen Kampfkünsten, irgendwann vor über 5 000 Jahren die indischen und chinesischen Heiler, die irgendwann (und das wieder nicht genau zu definieren) herausfanden , wie am menschlichen Körper bestimmte Stellen durch Druck oder Stoß beeinflusst werden können. Selbstverständlich kommt der Tag an dem der Meister sagt: „ So ab heute trägt die Kampfkunst in unserer Schule einen neuen Namen: … .“ Ab diesem Zeitpunkt mag man die Namensgebung, als Entstehungszeitpunkt eines neuen Systems betrachten, doch in Wirklichkeit ist es nur die Weiterentwicklung dessen, was es schon lange Zeit gegeben hat. So ist es einfach nur überheblich und arrogant, wenn viele Meister davon sprechen, sie hätten ein neues System geschaffen und im gleichen Atemzug behaupten es sei eine Synthese von verschiedenen Kampfkünsten. Also eine Kombination aus Altem soll zu Neuem werden. Dies dann als neue Kunst zu deklarieren ist doch zu selbstherrlich.
Das KOSHOKUN–KEMPO-RYU kam um das Jahr 1750 nach Okinawa. Überliefert wurde sie von einem chinesischen Gesandten namens Kwang Shang Fu oder Kung Siang Chün, je nach dem, in welchem chinesischen Dialekt man spricht. Im okinawaschinen Dialekt nannte man ihn Koshokun und im japanischen Kushanku.
Kwang Shang Fu lebte auf Okinawa in der Ortschaft Kumemura. Dort wohnten viele chinesische Gelehrte, Kaufleute, Handwerker und Militärberater, von denen Kwang Shang Fu einer war. Koshokun war nicht nur ein Kampfkunstexperte, sondern auch ein gelehrter des Zen, des Taoismus und Konfuzianismus. Als Militärberater kannte er sich natürlich auch in den Kriegkünsten und der Strategie des Sun Tzu aus. So ließ Koshokun nicht nur kämpferische Elemente in seine Kunst und Lehre mit einfließen, sondern auch alles was er an philosophischen und psychologischen Kenntnissen hatte. Er versuchte die Kunst des Kämpfens zu einer Kunst des Lebens und des Überlebens zu machen. Er beschränkte sich nur auf relativ wenige Techniken, die er zu perfektionieren versuchte und lehrte durch verschieden andere Bewegungen, Charakterstärke, Ehre, Respekt und Demut. Leider sind diese Bewegungen im Laufe der Zeit, vor allen Dingen durch die Japaner und Koreaner, zu Kampfsimulationen verunstaltet worden. Obgleich man schon auf den ersten Blick erkennt , dass z.Bsp. die Buddha-Kampfhaltung (manji-gamae), nichts mit einer Selbstverteidigungstechnik zu tun hat. Doch durch die Interpretation des Bunkai, hat man auch aus diesen Bewegungen, welche eine bestimmte Geisteshaltung initiieren sollen, versucht eine Kampftechnik zu machen. Koshokun hat schon damals gewusst, dass äußere Einwirkungen und Übungen, sich auf den Geist und Charakter eines Menschen auswirken. Dies gilt umgekehrt genauso und diese Übungen sind nachher Spiegel, der Verfassung des Übenden. Es ging immer darum, durch äußere Übungen den Geist und Charakter zu beeinflussen und diese zu einer Vollkommenheit und Stärke zu bringen, die sich im Kampf durch nichts beeinflussen lässt und in der Leere des Universums aufgeht. Die erste Bewegung der Kata KOSHOKUN symbolisiert dies. Die Aufmerksamkeit darf durch nichts gestört werden, weder durch inner Einflüsse wie Angst, Haß, Hunger Durst o.ä., noch durch äußere Einflüsse, wie durch die Kraft, die Größe oder das Auftreten des Gegners. Dazu dient z.Bsp. die Stellung manji-gamae. Ergänzen muß sich diese Geisteshaltung durch eine perfekte Technik, welche den Übenden dazu bringt, eine solche geistige Stärke auch nach außen zu vertreten. Selbstverteidigung und Geisteshaltung müssen perfekt sein. So ergänzen sich Yin und Yang. Im chinesischen nennt man diesen Zustand der Geisteshaltung Wu-Wei, das Nicht-Handeln, Nicht-Denken- Nicht Wollen. In den okinawanischen und japanischen Künsten nennt man diese Haltung „Mushin“. Die dazu gehörige Metapher lautet: „ Mushotoku – ohne Ziel und Streben nach Profit“. Eines der Grundprinzipien unserer Schule. Koshokun ging es nie darum seine Kunst mit dogmatischen Mittel zu lehren, sondern er ließ hier auch schon jedem Übenden, davon gab es zwar nur wenige, seinen eigenen Entwicklungsspielraum, auf der Basis seiner Lehre. So entwickelte sich sein Schüler Sakugawa (soto deshi) ganz anders als seine Schüler Takahara (uchi deshi) und Shionja. Der Ausspruch in der Shoto-Nijukun von Gichin Funakoshi: „Gijutsu yoi shinjutsu – Intuition ist wichtiger als die Technik“ leitet sich von Koshokun ab. Koshokun war einer der ersten Lehrer, welcher nicht nach bestimmten festgelegten Kampfkombinationen lehrte, sondern die Kata als Grundschulübung ansah. Er brachte sie seinen Schülern bei und überließ nach der Shu (Form)-Stufe das Kämpfen der Kreativität der Schüler. Ein Beispiel: Die Technik shuto-uke, die Abwehr mit der Schwerthand, ist im Grunde keine reine Abwehrtechnik. Sie soll den Schüler lehren, wie man mit dieser „Schwerthand“ umgeht und was man alles mit ihr machen kann. Dabei ging es um das Prinzip des Schwertes, welches sich in der Technik wiederspiegeln sollte. Es ging nie darum die Technik genauso anzuwenden wie sie in der Kata gelehrt wurde, sondern darum ihr Prinzip verstehen zu lernen. Funakoshi sagte schon in seinem Buch „Karate-Do Nyumon“: „In der Kata muß jede Technik pedantisch genau ausgeführt werden. – Im Kampf jedoch gilt genau das Gegenteil!“ Jeder kennt diese Aussage, schade ist nur, dass sie niemand beachtet, und das hat auch seinen Grund.
Die Asiaten, vor allem aber Japaner und Koreaner haben Europäer, Amerikaner und alle die der westlichen Hemisphäre entstammen, schon immer mitleidsvoll als Barbaren, ohne Ehre und Kultur betrachtet. Deshalb bekam bis weit in die siebziger Jahre des 20. Jh. kein sogenannter „Gaijin“ ( wörtl. Übersetzt: Fremder, Barbar, Ungläubiger; eine Synthese aus allen drei Interpretationen) mehr als den 3. Dan. Denn ab dem vierten Dan, einem Gaijin den Grad des „perfekten Kriegers“ zu verleihen, oder gar den fünften Dan, den des „Lehrers“ oder „Meisters“ war ein Sakrileg gegen die eigene Kultur. Denn ein Ungläubiger, ein Fremder, ein Barbar konnte nie ein perfekter Krieger oder gar ein Meister im Sinne der eigenen Kultur, sein. Erst als sich amerikanische und europäische Organisationen, unabhängig von den asiatischen Förderationen zu trennen begannen und die alten Vorkriegsmeister begannen wegzusterben und die sich daraus entwickelten Konkurrenzkämpfe der Asiaten untereinander auszubreiten begannen, erst dann begann man aus reinem Zweckinteresse, auch höhere Dan-Grade zu verleihen. Denn das bedeutete Mitgliederzuwachs und dies bedeutete Macht. So gab es auch immer ein sogenanntes „Kagemusha“, ein „doppeltes Angebot“.
Den eigenen Schülern asiatischer Abstammung, brachte man alles bei was zur Kampfkunst gehörte. Den Gaijin aber, wurde nur Grundschule beigebracht. Dies hält sich bis in die heutige Zeit. In Okinawa fragte man mich erstaunt Hast Du nicht mehr gelernt als Grundschule? In 12 Jahren? Grundschule ist was für die ersten 1,5 Jahre, spätestens dann sollte man mit den Kampfübungen anfangen!“ Ich fragte ob das denn kein Kampf sei. Der ehrenwerte Takeshi Miyagi Sensei erklärte mir dann: „ Grundschule dient zum Erlernen der Bewegungen. So wie Du beim Auto fahren erst mal wissen musst wie man Bremse, Gas, Kupplung und Schalthebel bedienst, lernst Du in der Grundschule erst mal wie Du abwehren, schlagen, treten, werfen und festhalten kannst. Durch das dauernde fahren mit dem Auto gehen diese Bewegungen langsam in Deinen Körper über und Du machst sie unbewusst ohne zu denken im richtigen Moment. Oder überlegst Du erst wenn ein Kind über die Straße läuft ob Du bremsen sollst? Nein! Du tust es, weil es eine instinktive, erlernte Bewegung ist. Genauso verhält es sich in der Kunst des Kämpfens. Du lernst die Bewegungen um sie der Situation entsprechend auszuführen, intuitiv (Gijustu Yoi Shinjutsu). So bewirkt die neue Situation bei Dir eine instinktive Reaktion die sich dieser Situation anpasst. Dein Körper hat gelernt dies zu tun – Dein Geist lässt es zu. Das ist Kampf, das ist Intuition und nicht Grundschule. Aber die Grundschule ist unerlässlich zum erlernen der Kampfkunst. Wie würden die Menschen fahren wenn sie keine Fahrschule gemacht hätten ? Wahrscheinlich würde es 10 mal so viel Tote geben und die Straßen wären verstopft von lauter Schrottautos. Wie würden die Kämpfer kämpfen, wenn sie die Grundbewegungen nicht gelernt hätten? Wie Frauen und kleine Kinder, ohne Skrupel und Ehre, wutentbrannt ohne Kontrolle, so dass auch der Stärkere verliert wenn er nicht weiß was er tut! Die Grundschule hat nicht umsonst ihren Namen. Ich weiß, daß Japaner nicht gerne sehen, wie Ihr Europäer Euch in den Kampfkünsten entwickelt, weil sie Angst haben Ihr könntet ihnen den Rang ablaufen. So verklären sie die Kampfkunst zu gymnastischen Übungen und Charakterbildung, was aus diesem Grund heraus schon paradox ist. Bei uns ist das nicht so. Wir sehen alle Menschen als gleich an. Gehe über die Grundschule, die Shu-Stufe hinaus und überwinde auch alsbald die zweite Ha-Stufe so schnell wie möglich, Du hast genug Zeit vertan!“ (Leider kann ich das nicht wortgetreu wiedergeben, weil ich mir nur Stichpunkte aufgeschrieben habe, aber ich habe dieses Beispiel mit dem Auto fahren in guter Erinnerung, da ich es während des Trainings immer wieder erwähne) So dient die Kata zum Erlernen von essentiellen Grundschul-Bewegungen,mit denen man die Grundprinzipien des Kämpfens erlernen soll. Dies hat jedoch mit dem Kampf keine direkte Lernverbindung. Die direkte Verbindung zum Kampf, geht über die drei Lernstufen SHU – HA – und RI.
Die erste Stufe Shu bedeutet: Gehorsam gegenüber der überlieferten Form; die Form befolgen. Erlernen der essentiellen Vorbedingungen zum Erlernen einer Kampfkunst, wie Spannung, Haltung Atmung. Dazu gehört das richtige Stehen, die richtige Bewegung, das richtige Timing, der richtige Energiefluß, der richtige Krafteinstz, das Erlernen der essentiellen geistigen Lehren wie, Zanshin (Aufmerksamkeit), Mushin (Leere des Geistes), Metsuke (Blick), Yomi (Wahrnehmungsvermögen), Kihaku (Kampfgesit), Reishin (Respekt, Ehre und Höflichkeit). Shu ist die Stufe des Anfängers. Um jemals über sie hinausgehen zu können, muß der Übende eine Haltung des Gehorsams gegenüber allem Überlieferten entwickeln, damit er es richitg lernen kann. Als Anfänger darf er nichts in Frage stellen und nichts verändern. Wenn er Geduld, Bescheidenheit und Vertrauen besitzt, wird sich im Laufe der folgenden Jahre, das richtige Verständnis einstellen und der Übende wird begreifen, dass das Lernen in der Shu-Stufe Grundvoraussetzung ist, um den Kampf zu lernen. Doch vorher muß er die Formen lernen und die Regel beachten. Die drei Wegstufen sind mit dem erlernen der Schrift und des Schreibens zu vergleichen. In der Shu-Stufe lernt der Übende die einzelnen Buchstaben des ABC. Die Form, die Techniken, die Dojokun, das Atmen, die Stellungen, die Bewegungen, Haltung, Spannung, Atmung, Energie – und Kraftfluß … etc. Darauf bezieht sich Meister Funakoshi´s Leitsatz: »Die Haltung des Anfängers muß frei sein von eigenen Urteilen, damit er später ein natürliches Verständnis gewinnt.« Die Lehrer wissen, dass es schwierig ist, einen Schüler auf die Ha-Stufe (Formfreiheit) zu führen. Der Grund dafür liegt im unüberwindbaren Vorurteil des des Schülers, vorab zwischen Richtig und Falsch entscheiden zu können. Doch dort wo sich Anfängermeinungen durchsetzen, kann es kein Lernen geben. Anfängermeinungen sind wie die folgende Geschichte:
Ein König in Indien, war krank. Er rief mehrere Ärzte aus seinem Reich zu sich um schnell zu genesen. Doch jeder der Ärzte stellte eine andere Diagnose. So blieb er sehr lange krank. Ein anderes Mal Wollte er eine neue Sternenkarte für seine wissenschaftlichen Arbeiten haben und rief alle Astronomen des Reiches zusammen, dass sie ihm eine Sternenkarte zeichnen. Doch jeder zeichnete die Sternenkarte anders und der König fand sich überhaupt nicht mehr zurecht. Durch diese zwei Vorfälle ersann er folgenden Versuch. Er rief alle Blinden, alle Ärzte, alle Astronomen und Gelehrte des Landes, erneut zusammen an seinen Hof, Er fragt die Blinden welcher von Ihnen schon mal einen Elefanten ertasteten. Diejenigen die dies bejahten ließ er wieder fortgehen. Die anderen Blinden ließ einen Elefanten anfassen. Jeden Blinden nur an einer Stelle. Dann fragte er die Blinden wie denn nun ein Elefant beschaffen sei: „ Er ist ein dickes Tau“, sprach der, der den Rüssel ertastete. Ein anderer der auch den Rüssel ertastete sagte: „ Ein Elefant ist wie eine große Phyton.“ Der dritte, welcher den Schwanz anfasste, sprach: „ Ein Elefant ist ein weicher, großer Pinsel.“ „Nein, nein, ein Elefant ist eine dicke Säule,“ sagte derjenige, welcher das vordere Bein ertastete. Ein vierter, welcher das Ohr des Elefanten betastete sprach: „ Ein Elefant ist ein riesiges, dickes Blatt“. „Nein, nein!“ sagte der nächste, welcher das andere Ohr ergriff „Ein Elefant ist eine kleine Reistrohmatte!“ Da sprach der König zu den Gelehrten, die dabei zu schauten: „ Es streiten sich Gelehrte und Asketen, weil vom Ganzen, sie nur einen Teil erspähten!“ Die meisten Schüler interpretieren die Kampfkunst genauso wie diese Blinden. Sie gründen dann auf diesen Interpretationen eigen Kata und Stile, weil ihnen die traditionellen nicht virtuos genug sind. Andere meinen, die Kata sei ein überflüssiges Beiwerk, und üben nur den Zweikampf, weil sie glauben sie bräuchten keine Grundtechniken (ABC) zu üben. Andere wiederum lehnen die Dojokun ab, weil sie ihren Sinn nicht verstehen. Doch all diese Meinungen und Interpretationen haben mit der wahren Kampfkunst nichts zu tun. Um die tiefern Sinngehalte der Kunst, des Budo zu verstehen, ist oft jahrzehnte langes Üben unter einem Meister notwendig. Die Selbstverteidigung ist schnell erlernt, doch der Weg des Kriegers, ist mehr als nur reines Erlernen von Techniken. Der wahre Krieger geht über die Technik hinaus, er steht mit seinem Geiste über ihr. Das bringt ihn dazu unerschrocken dem Tod ins Auge blicken und jeder Situation gewachsen sein zu können. Da die meisten Schüler dies nicht beachten und statt dessen ihren eigenen, viel zu früh eingeschlagenen Weg, gehenkommen sie nie über die Shu-Stufe hinaus. Nachdem sie bei verschiedenen Wettkämpfen gewonnen haben, bezeichnen sie sich selbst, und werden von anderen (den großen Förderationen und Organisationen) dazu gemacht, als Meister. Das ist die Tragik des modernen Budo. Ein Meister der Kampfkünste ist etwas anderes als ein Champion de Europe oder World-Champion, die es heute auch zu Hauf gibt. Es gibt in Deutschland alleine über 100 verschiedene Kampfsportverbände und jeder richtet seine eigene Deutsche – Europa – und Welt – Meisterschaft aus. An jeder Ecke trifft man heute einen Weltmeister. Um zu unterrichten, muß sich der Übende mindestens in der Ha-Stufe befinden. Ein selbstgefälliger Mensch kann dies nie erreichen und wird stets seine naiven Vorstellungen für Fortschritt halten. Shu ist das Stadium des Formlernens, in dem es keine Möglichkeit gibt, in tiefere Zusammenhänge des Budo Einblick zu gewinnen. Keineswegs darf de Schüler um das, was er dennoch zu erkennen glaubt, streiten und sich mit Rechthaberei, das erst später eintretende Verständnis verbauen. Um lernen zu können muß sich der Übende in dieser Stufe, den Gesetzmäßigkeiten der Kampfkunst unterwerfen und seine Ansprüche seinem Niveau anpassen. Wenn er lernen will muß er die Entscheidungen seinem Lehrer überlassen und dessen Rat befolgen. Der kritische Geist gegenüber unverstandenen Prinzipien verhindert das Lernen. Der Meister, wenn er denn wirklich einer ist, kennt den Weg und seine Hindernisse und ist deshalb in der Lage dem Schüler die Entscheidungen abzunehmen. Der Weg über die Shu-Stufe kann vom Schüler nicht gegangen werden, wenn die rechte Meister/Schüler-Beziehung fehlt und der Schüler nur Technik übt. Um den Weg und den Kampf zu erkennen und um beides zu verstehen, muß der Schüler diese Stufe überschreiten, er muß sich aus der Gefangenschaft der festen Form befreien. Dieser Prozeß wird weniger von seinem formalen Talentbestimmt, als von seiner inneren Haltung. So ist es nur eine Aufgabe des Übenden, die Technik zu meistern. Die andere ist es, die rechte Haltung zu suchen. Es ist ein Fehler zu glauben, die rechte Haltung entstehe von selbst, wenn man seinen Gegner besiegen lernt. Die recht Haltung ist ein Resultat der Arbeit an sich selbst, unter der Aufsicht eines Meisters.
In der zweiten Stufe Ha lernt man: die Form zu zerreißen. Die Dinge von sich aus zu betrachten. Zu analysieren, welche Dinge und Techniken für einen selbst von Vorteil sein könnten. Zu diesem Lernprozess gehört das Öffnen des eigenen Geistes und des Körpers allen Bewegungsprinzipien und Techniken aus allen Systemen gegenüber. Denn es geht nicht darum, sich bestimmte Techniken zu eigen zu machen, sondern auf Grund der erlernten Bewegungsprinzipien, alle Techniken für sich selbst möglich zu machen. Heraus zu finden welche Techniken sinnvoll und effektiv für den Übenden selbst sind. Denn es hat keinen Zweck einen kagato otoshi geri zu üben, wenn man körperlich nicht in der Lage ist diesen Fußschlag richtig auszuführen.
Die dritte Stufe Ri bedeutet für den Übenden: sich von der Form trennen.
Den richtigen Weg für sich zu finden ohne Rücksicht auf technische Vorgaben des Meisters oder des Systems. Einen eigenen Stil befolgen der kein Stil ist. Sich von den Dogmen der großen Föderationen zu trennen, auf sein eigenes Gefühl zu vertrauen, seine Intuition zum Antrieb des Handelns werden zu lassen. Sich nicht vom eigenen Ego treiben zu lassen, sondern die eigene Handlung vom Universum bestimmen zu lassen, egal ob dies Dinge der eigenen Familie betrifft oder eine Selbstverteidigungssituation. Sich verneigen aber nicht beugen, den Angriff zum eigenen werden zu lassen. Dies kann ich nur wenn ich die Stufen Shu und Ha durchlaufen, verstanden und befolgt habe. Richtig handeln ohne zu Denken, kämpfen ohne Emotionen und ohne Wollen. Jede Technik ist meine Technik. Sie kommt nicht vom Selbst, sondern wird durch die Handlung des Außen bestimmt. Frei von jedem Gedanken und Gefühl, trennt sich der Übende von allen Vorgaben und Dogmen der Form. Der Kampf mit sich selbst auf dem Weg bis hierher ist der wirkliche Kampf. Der Kampf gegen den Gegner ist dann nur noch ein unausweichliches Übel, dem man mit Verachtung entgegentritt. Denn der Kampf, das Verletzten oder gar Töten eines Gegners ist für den wahren Kampfkunstmeister nutzlos und vertane Energie, denn er weiß um den Kampf mit sich selbst. Dieser ist viel schwerer auszufechten und kostet mehr Überwindung, Durchhaltevermögen, Kampfgeist, Willensstärke, Demut. Respekt, Hingabe und mehr Schmerz und Leid, als der Kampf mit einem Gegner, der einem dann so leicht erscheint, dass es sich nicht ein mal lohnt diesen Kampf überhaupt zu beginnen. „An der Quelle ist das Wasser am klarsten. Wenn Du die Kunst richtig verstehen willst, trinke direkt von der Quelle“ Diese Worte eines chinesischen Taijiquan – Meisters, sagen viel über das Erlernen einer Kampfkunst aus. Man soll die Kata nicht einfach als Anreihung technischer Element sehen und erlernen, sondern sie aus ihrem Ursprung heraus verstehen. Welches sind ihre Prinzipien? Aus welchem Grunde gibt es die Kampfkunst überhaupt? Wo führt sie mich hin? Wozu all diese Bewegungen? Worauf basieren sie? Welchen Zweck haben sie? … etc. Doch um all diese Fragen beantworten zu können, muß ich vorerst die Shu-Stufe durchschritten haben. Erst wenn ich beim Auto die Handhabung der Bremse erlernt habe, weiß ich um ihre große Bedeutung beim Fahren! Doch ohne Gaspedal oder Kupplung kann ich immer noch nicht fahren. So muß ich auch die Zusammenhänge der verschiedenen Teilstrukturen kennen um mir ein Bild vom Ganzen machen zu können und um alles in seiner Gesamtheit zu verstehen, damit ich es auch perfektionieren kann. Dazu gehört bei der Kampfkunst auch das Wissen um die Geschichte und deren Wurzeln, die Verbindung zu anderen Systemen und Schulen, die Philosophie und Psychologie, die Strategie und Taktik, das Wissen um Anatomie und Biologie, um Chi /Ki und Medizin. So kann ich jede Bewegung des Systems entschlüsseln und erfahre so die wahre Bedeutung. Durch das Herausschneiden von Techniken und Verändern, vor dem Verstehen, um die Betonung auf Sportlichkeit, Ästhetik oder Selbstdarstellung zu legen, wird die wahre Kunst verstümmelt und es ist letzten Endes keine Kunst mehr, sondern nur noch eine zur Schau-Stellung körperlicher Aktivitäten. Gute Selbstverteidigungstechniken oder Bewegungen von hoher psychischer Bedeutung, sind schon zu oft dem optischen Glanz zum Opfer gefallen. Tödliche Techniken werden entfernt um die Kunst Wettkampftauglich zu machen. Das soll nicht heißen, dass die Kampfkunst eine aggressive Sache ist, im Gegenteil. Aber der krampfhafte Versuch, Begriffe wie Tod, töten, kämpfen etc. aus dem Wortschatz der Kampfkunst zu streichen, machen den Menschen und den Übenden nicht friedlicher. Eher die Auseinandersetzung damit. Denn nur wer seine aggressiven Energien kennt, kann sie auch kontrollieren.
In der Geschichte der Kampfkünste gab es nie eine klare Trennung von Frieden und der Auseinandersetzung mit Gewalt. Große Kampfkünste sind zumeist aus Klöstern entstanden oder von höchst friedfertigen Menschen gegründet worden, die durch die Kampfkunst und der Auseinandersetzung mit ihren Aggressionsenergien, erst zu solchen geworden sind. Viele Bewegungen der Kata spiegeln das wieder. Diese Bewegungen sollen die Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele schulen. Den Menschen zu einer harmonischen Einheit verschmelzen, so dass ihn nichts aus den Gleichgewicht bringen kann, weder körperlich, noch geistig noch emotional. Viele Bewegungen haben auch eine technische und eine philosophische oder psychische Bedeutung. In ihnen soll diese Einheit sichtbar werden.
Doch die meisten Bewegungen haben einen Selbstverteidigungscharakter, welcher dieses Gleichgewicht zwischen innen und außen erst ermöglicht.
In der Kata Koshokun haben wir 73 Bewegungen und 25 verschiedene Techniken. Diese 25 Techniken sind in ihrer Struktur für die Selbstverteidigung gedacht. Davon entfallen 8 auf Abwehrtechniken (7 mit den Händen oder Armen und 1 mit den Beinen), 8 Angriffstechniken mit den Händen und Armen, 6 Angriffstechniken mit den Beinen und 2 Wurftechniken. Alles in allem nicht viel. So erscheint es zumindest. Alle Techniken sind jedoch wie die Wassertropfen eines großen See´s zu verstehen. Sie ergeben ein ganzes und haben dadurch ein gewaltiges Potenzial.
Die Abwehrtechniken
1. Haishu uke
2. te nagashi uke
3. tate shuto uke
4. ura hineri uke
5. shuto uke
6. osae uke
7. gedan uke
8. nami ashi
Die Angriffstechniken
a) zuki (Fauststoß)
b) uraken uchi (Faustrücken)
c) yoko geri (Seitwärts-Fußtritt)
d) shuto uchi (Handkante)
e) nukite zuki (Fingerstich)
f) mae geri (Vorwärts-Fußtritt)
g) ashi gatame (Wurf)
h) empi uchi (Ellenbogen)
i) hiza geri (Knie)
j) ushiro ashi barai (Fußfeger)
k) kentsui uchi (Faustkante)
l) sumi otoshi (Wurf)
m) kagi zuki (Hakenfauststoß) n) ura zuki (kurzer Aufwärtshaken) o) nidan geri (Fußtritt im Sprung)
Nun kombiniert man:
1-a, 2-a, 3-a, 4-a …etc. Dann: 1-b, 2-b, 3-b, 4-b, …etc. Danach 1-c, 2-c, 3-c, 4-c ….etc. Dann 1-a-b, 2-a-b, 3-a-b, 4-a-b …etc. So vervielfältigt sich die Anzahl der wenigen Techniken in´s schier unendliche. So lernt man eine relativ geringe Anzahl an Techniken und hat für jede Situation die richtige Antwort parat ohne nachdenken zu müssen. Heute werden in der Selbstverteidigung viel zu viele Techniken, besser gesagt „Tricks“ geübt. Man geht von einer Situation aus und kreiert die richtige Antwort dazu. Das ist so, als wenn ich mir extra ein Schloss bauen lasse, nur weil ich einen Schlüssel parat habe. Statt dessen sollte ich wenige Universal-Schlüssel parat haben, welche in alle möglichen Schlösser passen. (davon gibt´s nur drei: Buntbart – Zylinder – und Sicherheitschloss). So ist es mit der Kampfkunst genauso. Haltung, Spannung und Atmung müssen stimmen, alles andere ist unwichtig. Zur Haltung gehört: 1. die Stellung (Tachikata). 2. die Oberkörperhaltung. 3. die Bewegung (Bewegungslinie beim Gehen, Abwehren, Schlagen, Treten, Werfen, Immobilisieren, Ausweichen, die Bewegung aus der Körpermitte=Hara) 4. die Geisteshaltung (Kampfgeist [dieser beinhaltet zugleich Willensstärke, Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen], Demut (Shu sho ichi nyo), Hingabe) und vor allen Dingen die Fähigkeit zur Leere (Mushotoku und Mushin). Zur Spannung gehört: 1. das richtige Verhältnis von Entspannung und Spannung (geistig und körperlich), 2. der richtige Kraft – und Energiefluß, 3. das richtige Verhältnis von Weichheit und Härte, 4. das richtige Verhältnis von langsam und schnell, 5. die Spannungsrichtung, und 6. das richtige Gefühl für die Entstehung der körpereigenen Spannung und Entspannung in der Körpermitte. Zur Atmung gehört: 1. das richtige, vor allem das Vollständige, Aus – und Einatmen über den Bauch (Hara), 2. das gewinnen von Energie aus der Atmung (Ki), 4. das richtige Erlernen der drei Atmungsstufen (1 – das richtige Atmen in den Bauch und des Atemweges. 2 – Abstimmung der Atmung auf die Techniken. 3 – unabhängiges Atmen), 5. Erlangung der Einheit und Harmonisierung von Körper, Geist und Seele durch die Atmung. Berücksichtigt man diese drei Prinzipen, ist es völlig gleich welche Techniken man anwendet, sie können nicht falsch sein. Zum richtigen Einsatz dieser Prinzipien gehört natürlich auch das richtige Timing (Hyoshi) aller drei Prinzipien. Mann kann nicht für jede erdenkliche Selbstverteidigungssituation eine ganze Kombination von Techniken einüben, so wie ich es auch am Anfang gelernt habe, um dann bei Bedarf aus der Vielzahl von Kombinationen die richtige abzurufen, die zum Angriff passt. Das erfordert einen bewussten Denkprozess der zu lange dauert. Zwei Grundsätze liegen dieser Übungsweise zugrunde:
1. Shinjutsu yoi Gijustsu = Intuition ist wichtiger als die Technik.
2 . Mushin = Denken ohne zu Denken.
Diese Bedeutung ist ausschlaggebend für das richtige Erlernen der Kunst. Nicht das Einüben von bestimmten Techniken ist wichtig, sondern das Erlernen von Bewegungs-schulischen Grundprinzipien, die sich automatisch der Situation anpassen können, ohne dass ich bewusst irgendeine Technik aus meinem »Selbstverteidigungs-Vorratslager« abrufen muß. Bruce Lee sagte dazu: „Lasse die Technik Deines Gegners zu Deiner werden!“ Dies sind die wichtigsten Regeln der Kata Koshokun. Sie ist ein komplettes Kampf-System, das alles was der Übende zum Erlernen der Kampfkunst braucht, lehrt. Kann der Übende diese Regeln befolgen und verstehen, wird er bald lernen, dass es keine Regeln gibt, außer denen des Universums: „Das absolute Chaos!“ Im Sport gibt es das Element der Zeit und es gibt Regeln. Im Kampf gibt es nur den Augenblick. In ihm entscheiden sich Leben und Tod ganz und gar.